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Meister Eckhart: Predigt 16b (DW I)

Enthalten in: Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz. Ms. germ. oct. 65
Predigten, Traktate und Sprüche aus dem Kreise der Mystiker (Mystische Sammelhandschrift mit Predigten, Traktaten und Sprüchen)
lfd. Nr.:45
Zählung lt. Katalog:B XL,14
Foliierung:59r–62v
Verfasser:Meister Eckhart
Bezeichnung/Überschrift:Predigt 16b (DW I)
Incipit:Ich han gesprochen ein woertelin dc mag man sprechen (59v) von sant Augvstinus vnd von einer guoter sele wie die sint gelichet einem gvldin vas dc da ist veste vnd stete vnd hat an sich edelkeit alles gesteines. Dc kvmet von edelkeit der heiligon dc si mit eim gelichnv`sse nit bewisen mag. Dar vmb gelichet man si den bovmen vnd der svnnen vnd dem mane als ist hie sant Augustinus gelichet man einem gvldin vasse ...
Texttyp:Predigt
Anlass:Sir 50,10
Thema/Regest:Der Vergleich der Figur des Augustinus – und jeder guten Seele – mit einem Gefäß bildet den Ausgangspunkt der vorliegenden Predigt, die letztlich den Begriff der Heiligkeit zu klären versucht. Sie setzt mit dem Bild des Gefäßes ein: Im Unterschied zu den körperlichen Gefäßen verbindet sich mit der Vorstellung geistiger Gefäße der Gedanke, dass diese identisch sind mit ihrem Inhalt. Sie charakterisieren sich dadurch, dass sie mit dem verschmelzen, was sie aufnehmen. Nimmt die Seele Gott in sich auf, wird sie Gott gleich. Dies ist der Fall, insofern die Seele Bild Gottes ist, denn wo die Seele Bild Gottes ist, bildet sie ihren Ursprung in sich ab und wird eins mit ihm, da sie nichts anderes mehr ist als Bild ihres eigenen Ursprungs. Diesem Bildsein gelten die nun folgenden Ausführungen, in denen Eckhart die zwei Aspekte des trinitarischen Rahmens der Bildtheologie und der absoluten ontologischen Priorität des Ursprungs des Bildes hervorhebt: Erstens verhält sich das Bild – als spiegelbildliches Abbild – unmittelbar und unwillkürlich zu seinem Ursprung. Dabei ist dieses Verhältnis im Falle Gottes und der Seele besonders zu charakterisieren: Wenn Gott sich selbst abbildet, gibt er sich der Seele ganz, ergießt sich in sie und bleibt doch in sich. In diesem Sinne ist der Sohn Gottes unmittelbares Bild Gottes; wohl ein erstes Heraustreten Gottes aus sich, aber nicht ein Heraustreten, in dem ein Unterschied der Natur fassbar würde. Vielmehr haben Vater und Sohn diesselbe Natur. Dasselbe ist hinsichtlich des Hl. Geistes zu sagen, der nicht selbst Bild ist, sondern das Verhältnis des Sohnes zum Vater als Verhältnis der Unmittelbarkeit charakterisiert. Zweitens ist das Sein des Bildes gänzlich von seinem Ursprung abhängig: Einerseits ist es selbst eigentlich gar nicht, denn nur das ist, dessen Bild es ist; andererseits ist auch sein Sein als Bild gänzlich von der Gegenwart dessen abhängig, wovon es Bild ist. Insofern lässt sich sagen, dass Urbild und Abbild nur ein Sein besitzen, nämlich das Sein des Urbildes, das ins Abbild fließt. In einem dritten Schritt wendet sich der Prediger explizit der Frage zu, wie dieser – spekulative – Gedanke auf die Lebenswirklichkeit zu beziehen sei. Exemplarisch dargestellt in der Treue zu Gott, der Ausschließlichkeit dieser Treue, die nichts anderes mehr ins Auge fasst, schließlich des Verzichts auf allen Eigennutz, wird die Analogie zwischen der Bildhaftigkeit der eingangs geltend gemachten Vorbildhaftigkeit des hl. Augustinus fassbar. Heiligkeit meint denn auch, dass die Seele – in ihren obersten Vermögen und der Ausrichtung der niederen Kräfte auf die oberen – allein auf Gott bezogen ist und aus diesem Bezug heraus die Tugend in einer Weise verwirklicht, in der die Tugend unmittelbarer Ausfluss der göttlichen Natur ist und mithin die Seele als Gefäß Gottes zur Präsenz Gottes geworden ist. (Largier I, S. 905ff.)
Bibelstellen:Sir 50,10
Personennamen:Augustinus
Parallelüberlieferung:Berlin, Staatsbibliothek, Ms. germ. qu. 125, Bl. 93rb–94vb (Sigle: B X,2)
Schlagworte:
  • Bild
  • Bildtheologie
  • Gelassenheit
  • Heiligkeit
  • Trinität
Edition:Quint, J./Steer, G. (Hg.), Meister Eckhart, Die deutschen und lateinischen Werke, hg. im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Abt. I: Die deutschen Werke, Stuttgart 1936ff., DW I, 16b, S. 261–276 (kritische Ausgabe unter Berücksichtigung dieser Handschrift).
Literatur:
  • Haas, A.M., Sermo mysticus. Studien zu Theologie und Sprache der deutschen Mystik (Dokimion, Bd. 4), Freiburg/Schweiz 1979, S. 225f.
  • Kremer, K., Das Seelenfünklein (scintilla animae) bei Meister Eckhart: ungeschaffen oder geschaffen? Ein kontroverses Kapitel in der Meister-Eckhart-Forschung, in: Trierer Theologische Zeitschrift 97 (1988), S. 8–38, hier S. 21ff.
  • Largier, N. (Hg.), Meister Eckhart, Werke, Bd. I (Deutscher Klassiker Verlag im TB 24), Frankfurt a.M. 2008, S. 905–912.
  • Largier, N. (Hg.), Meister Eckhart, Werke, Bd. II (Deutscher Klassiker Verlag im TB 25), Frankfurt a.M. 2008, S. 1021.
  • Mojsisch, B., Meister Eckhart. Analogie, Univozität und Einheit, Hamburg 1983, S. 80f.
  • Quint, J., Neue Funde zur handschriftlichen Überlieferung Meister Eckharts, in: PBB 82 (1960), S. 352–384 (zur Überlieferung).
  • Ruh, K., Meister Eckhart. Theologe, Prediger, Mystiker, München 21989, S. 150–155.
  • Schiewer/Mertens, Repertorium 1,2, S. 512 und 526.
  • Theisen, J., Predigt und Gottesdienst. Liturgische Strukturen in den Predigten Meister Eckharts (EHS I, Bd. 1169), Frankfurt a. M./Bern 1990, S. 258–260.
  • Welte, B., Meister Eckhart. Gedanken zu seinen Gedanken, Freiburg/Basel/Wien 1979, S. 126ff. und S. 130.
Sonstiges/Bemerkungen:1. 59r Eintrag Sudermanns: fol: 299 (bezieht sich auf den Basler Tauler-Druck, vgl. Largier II, S. 1021). – 2. Nota-Bene-Zeichen bei 59v Swer dv` ding lasset ... (S. 264, Z. 2); 61r Swer hat einen reht lieben vrv`nt ... (S. 271, Z. 6); 61v wan mag si aber wol liden (S. 272, Z. 8) und 62r Ia ich sprech werlich. alles das dv versetzest ... (S. 274, Z. 6). (Schiewer/Mertens, Repertorium 1,2, S. 526)
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Eingestellt am: 03. Mär 2010 09:56
Letzte Änderung: 20. Mär 2012 19:10
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